Die Fakultät für Chemie und Mineralogie hat in ihrem Zukunftskonzept 2025 - 2030 vier Forschungsschwerpunkte ausgewiesen.
Beteiligte Arbeitskreise
DFG-Forschergruppe
Graduiertenkolleg
Die Untersuchung und gezielte Ausnutzung chemischer Prozesse im mikroskaligen Raum (Mikro-Raum) stellt einen hochaktuellen und gleichzeitig sehr erfolgreichen thematischen Schwerpunkt der Fakultätsforschung dar. Er lässt sich sowohl den strategischen Forschungsfeldern „Intelligente Methoden und Materialen“ sowie „Nachhaltige Grundlagen für Leben und Gesundheit“ zuordnen. Im Rahmen des Leipziger Wegs verbindet Chemie im Mikro-Raum insbesondere die „Emerging Fields“ Mikrofluidik und Strömungschemie auf dem Weg zur Etablierung interdisziplinärer Forschungsverbünde. Dieser Schwerpunkt ist bisher gezielt in der DFG-Forschungsgruppe 2177 „In-CheM“ und der ESF-Nachwuchsgruppe „Heterogen-katalysierte Syntheseprozesse in Durchfluss-Systemen“ abgebildet worden. Dies mündete in die SFB 1649-Initiative „Micro-Chemistry“ (Sprecher: Prof. Dr. Detlev Belder) und soll nun zu einem neuen SFB-Antrag „Deep Chemistry“ weiterentwickelt werden.
Miniaturisierung und Systemintegration haben die Labortechnik grundlegend verändert. Während in den Lebenswissenschaften die Entwicklung von biochemischen Assays-on-chip und Organ-on-chip-Geräten weit fortgeschritten ist, lässt ein ähnlicher Fortschritt in der Chemie noch auf sich warten. Die Erforschung und Durchführung chemischer Prozesse im mikroskaligen Raum eröffnet der modernen Chemie ganz neue Einblicke und Anwendungsmöglichkeiten. Grundlage hierfür sind sogenannte „Enabling Technologies“ wie integrierte chemische Mikrolaboratorien, mit denen die Verfolgung chemischer Prozesse in geringsten Dimensionen bezüglich Raum, Zeit, Ort und Stoffmenge gelingt. Dies ermöglicht nicht nur die Entschlüsselung chemischer Reaktionen, sondern auch die Entwicklung portabler Diagnoselabore bis hin zu nachhaltigen chemischen Mikromaschinen, die sich durch den optimalen Einsatz von Ressourcen und den minimalen Anfall von Abfällen auszeichnen.
In der DFG-Forschungsgruppe „Integrierte chemische Mikrolaboratorien“ (In-CheM, FOR 2177) wurde durch Kombination und Integration chemischer Mikroreaktoren mit maßgeschneiderter Mikroanalytik eine neuartige Technologie geschaffen, die neue Einblicke in chemische Prozesse ermöglichte. Sie baute auf der lokalen Expertise, insbesondere an den Instituten für Analytische, Organische und Physikalische Chemie auf. Dazu kamen wichtige Kooperationspartner aus dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), dem Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM) sowie aus dem Berliner Wissenschaftsraum (FU Berlin, MPI für Kolloidforschung Potsdam). Die Chemie im Mikro-Raum spielte auch in der ESF-Nachwuchsforschergruppe „Heterogen-katalysierte Syntheseprozesse in Durchfluss-Systemen“ eine zentrale Rolle, welche sich mit der Forschung, Weiterbildung und Nachwuchsförderung im Themenbereich zwischen stereoselektiver Synthese, heterogener Katalyse und spektroskopischer Reaktionsuntersuchung befasste.
Aufbauend auf diesen beiden Forschungsverbünden wurde die SFB-Initiative 1649 „Micro-Chemistry“ bis zum abschlägigen DFG-Senatsvotum im Mai 2024 ausgearbeitet, die nun in einen neuen SFB-Antrag „Deep Chemistry“ (potentielle Sprecherin Jun.-Prof. Julia Westermayr) münden soll.
Unsere Fakultät bringt hier ihre breite Expertise in den Bereichen Analytische, Organische, Physikalische und Theoretische Chemie ein. Moderne Lab-on-a-Chip-Technologie, ultraschnelle In-situ-Spektroskopie transienter Reaktionsintermediate, enantioselektive Synthese durch chirale, Festphasen-gebundene Katalysatoren in Durchfluss-Reaktoren sowie Machine-Learning-Ansätze sollen den beabsichtigten geschlossenen Optimierungskreislauf ermöglichen, der nicht nur Geschwindigkeitsvorteile und neuen Erkenntnisgewinn bietet, sondern durch Miniaturisierung der Prozesse auch erhebliche Nachhaltigkeitsgewinne ermöglicht durch drastische Verringerung der Substanz-, Lösungsmittel- und damit auch Abfallmengen. Die Arbeiten in dieser SFB-Initiative sind thematisch insofern nicht nur dem Forschungsforum 1, sondern übergreifend z. B. auch dem Forschungsforum 3 (Multifunktionale Katalyse) zuzuordnen.
Perspektiven
In der Zukunft soll dieses Forschungsforum maßgeblich dazu beitragen, ein sogenanntes selbstfahrendes, vollautonomes, chemisches Labor zu entwickeln und implementieren, das von der Planung einer Synthese, der Konzeption und Durchführung des Prozesses, der Analyse und Separation der Produkte sowie der Nutzung der dabei gewonnenen Daten für eine weitere Prozessoptimierung durch Machine-Learning-Ansätze alles beinhaltet, was für ein vollautomatisiertes, chemisches Synthese- und Analyselabor der Zukunft benötigt wird. Durch Miniaturisierung, Systemintegration, Durchflusstechnologie verbunden mit ultraschnellen Analysetechniken und KI-basierten Optimierungsalgorithmen sollen verbesserte Synthese- und Analyseprozesse mit drastisch verkürzten Reaktionszeiten, hohen Ausbeuten und Selektivitäten sowie vereinfachter Produktseparation bei geringstem Substanz-, Zeit- und Lösungsmitteleinsatz erreicht werden. Die für die Erreichung dieses hochambitionierten Ziels erforderliche breite Expertise ist aktuell großenteils bereits innerhalb der Fakultät sowie den Nachbarfakultäten der Universität Leipzig vorhanden, muss aber kontinuierlich durch adäquate Nachbesetzungen erhalten bleiben.
Beteiligte Arbeitskreise
PD Dr. Thomas Sheppard (Vertretungsprofessur für Prof. Dr. Roger Gläser)
Graduiertenkolleg
GRK 2721 (Sprecherschaft: K. Asmis, Teilprojekt: B. Abel, R. Gläser, H. Krautscheid, R. Tonner-Zech, J. Westermayr, K. Zeitler, J. Warneke)
Beteiligte Projekte
FOR 2857 „Copper Iodide as Multifunctional Semiconductor“ (Teilprojekt: H. Krautscheid)
ErUM (BMBF) 05K2022 Profile Reactor for Operando Neutron Diffraction – studying heterogeneous catalytic reactions by spatially-resolved diffraction-, spectroscopy-, concentration-, and temperature-profiling (PRONTO, Teilprojekt: H. Kohlmann)
Vielfältige Projekte in der Einzelförderung (DFG, BMBF, etc.)
Überblick
Das Forschungsgebiet Materialien und Energie ist interdisziplinär ausgerichtet und befasst sich mit der Entwicklung neuer Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften für die Nutzung im Zusammenhang mit der Energiewende. Die Palette reicht von porösen Materialien wie Zeolithen, Gläsern, kohlenstoffbasierten Strukturen oder Metal-Organic Frameworks (MOFs, poröse Koordinationspolymere) mit einstellbaren Porenweiten, über borhaltige Verbindungen bis zu exakt definierten (Halbleiter-)Schichten. In Bezug auf Eigenschaften: von komplexen Materialsystemen mit thermoelektrischen Eigenschaften bis zu definierten Festkörperverbindungen, die reversibel Wasserstoff aufnehmen und freisetzen können. Die materialorientierte Forschung an der Fakultät für Chemie und Mineralogie umfasst somit ein sehr breites Spektrum von Materialien zur Erzeugung, Speicherung, Umwandlung und effizienteren Nutzung regenerativer Energien. Dazu gehören Materialien für die Photovoltaik, die aus molekularen Vorstufen erhalten werden, als dünne Schichten abgeschieden werden oder als Modellsysteme dienen. Thermoelektrika oder thermochemische Speichermaterialien dienen der reversiblen Umwandlung von Wärme in elektrische Energie und sind zur Nutzung von Abwärme ebenso interessant wie für Kühltechnologien. Leuchtstoffe mit Seltenerdmetall-Ionen, deren atomarer Aufbau an der Fakultät seit einigen Jahren genau untersucht wurde, können zu effizienter Beleuchtung in den verschiedensten Anwendungsgebieten beitragen.
Zu den Forschungsthemen sind umfangreiche Erfahrungen und tragfähige Vorarbeiten auf dem Gebiet dieser sog. Energiematerialien innerhalb der Fakultät vorhanden, aber auch in Kooperation mit der Fakultät für Physik und Erdsystemwissenschaften. Insgesamt ist im Bereich der Materialforschung an der Fakultät der stark methodische Ansatz hervorzuheben, der einen universell anwendbaren Charakter der Erkenntnisse und Entwicklungen bedingt. Dieser Ansatz ist nicht etwa auf bestimmte Substanzklassen gerichtet, sondern ist vielmehr für eine breite Vielfalt von Materialien mit vielfältigen Funktionen anwendbar. Sie strahlen mit ihren Anwendungsperspektiven über das Feld der Energie hinaus und sind u.a. auch für den Klimaschutz von Bedeutung. Mit dem Forschungsforum „Materialien und Energie“ leistet die Fakultät für Chemie und Mineralogie damit einen wichtigen Beitrag zu einem der drängendsten Probleme unserer Gesellschaft.
Perspektiven
Perspektiven
Die Entwicklung, Synthese und Optimierung von Energiematerialien stellt eine attraktive Herausforderung dar, die sich thematisch in den Forschungsprofilbereichen „Komplexe Materie“ im strategischen Forschungsfeld „Intelligente Methoden & Materialien“ der Universität Leipzig unmittelbar eingliedert. Mit Blick auf die komplexen, physikalisch-chemischen Materialeigenschaften kommt modernen analytischen und spektroskopischen Methoden eine ganz besondere Bedeutung zu. An der Fakultät sind insbesondere die Methoden der Röntgenbeugung, Elektronenmikroskopie sowie verschiedene spektroskopische Methoden auf hohem Niveau in der Forschung etabliert und bilden, auch in der Lehre, einen überregional charakteristischen Schwerpunkt. Mehrere Arbeitsgruppen nutzen darüber hinaus Großforschungseinrichtungen wie Synchrotron-Strahlungsquellen und Forschungsreaktoren (Neutronenquellen). In situ- und in operando-Untersuchungen geben entscheidende Impulse für das Verständnis der Synthese, der Funktion und der Alterung von Energiematerialien. Diese sollen daher in der Zukunft gezielt an der Fakultät weiterentwickelt und etabliert werden.
Als Emerging Field im Sinne des Leipziger Wegs, das in unmittelbarem Bezug zu dem strategischen Forschungsfeld „Intelligente Methoden & Materialien“ steht, soll die zielgerichtete, rationale Synthese neuer Materialien im Mittelpunkt stehen. Dafür soll die an der Fakultät für Chemie und Mineralogie im methodischen Bereich bereits vorhandene Expertise in folgenden Schwerpunkten ausgebaut und zu Verbundforschungsinitiativen entwickelt werden:
Aufklärung von Reaktionspfaden in Festkörpern mit in situ-Methoden
Im Gegensatz zur Molekülsynthese ist der Wissensstand über Reaktionsmechanismen in der Festkörperchemie begrenzt. In situ-Untersuchungen ermöglichen die Analyse der elementaren Schritte solcher Mechanismen, wodurch eine gezielte Prozesssteuerung und eine planvolle Synthese möglich sind. Fortschritte in der Strahlungstechnologie haben die Zeitauflösung, Verfügbarkeit und Aussagekraft solcher in situ-Untersuchungen deutlich verbessert. Das eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten, wie in wiederaufladbaren Batterien, Gas- und Wärmespeichermaterialien oder Thermoelektrika. In diesem Bereich wurde die Honorarprofessur „Digitalisierung in Katalyse und Materialwissenschaft“ an Prof. Stephan A. Schunk verliehen, dessen Aktivitäten das Forschungsforum um Aspekte der Generierung, der Speicherung und der Nutzung von Forschungsdaten erweitert.
An der Fakultät für Chemie und Mineralogie beschäftigen sich bereits mehrere Arbeitsgruppen mit in situ-Methoden zur Untersuchung und zum zielgerichteten Design von energierelevanten Materialien.
Computergestütztes Materialdesign und Atomic-Scale Processing
Im Bereich des computergestützten Materialdesigns werden mittels quantenchemischer Methoden und Methoden des Machine Learning von Molekülen bis hin zu Festkörpern neue Funktionsmaterialien entdeckt und vorgeschlagen. Durch computergestützte ab initio-Verfahren, die ohne experimentelle Parameter auskommen, wird eine wissensgeleitete Materialsynthese ermöglicht. Als „emerging field“ in diesem Bereich stellt sich das „atomic-scale processing“ – die atomgenaue Synthese neuer Materialien dar. Dieser Bereich ist grundlegend auf theoretische Untersuchungen der Elementarschritte angewiesen. Insbesondere im Bereich der Halbleitertechnologie sind hier Strukturen im Bereich weniger Nanometer (also 10-20 Atome) bereits in der industriellen Anwendung.
Im Rahmen einer 2022 eingerichteten Juniorprofessur „Theoretische Chemie des Materialdesigns“ wurden die Aktivitäten in Richung Machine Learning signifikant intensiviert. Beispielsweise werden generative Lernmethoden trainiert, um das Materialdesign zu unterstützen oder neuronale Netze, die Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften lernen, um einen Satz an Materialien zu screenen. Dieser Bereich strebt zudem eine enge Verbindung mit dem Forschungsfeld "Mathematische und Computergestützte Wissenschaften" an.
Funktionale Oberflächen durch Abscheidung molekularer Gasphasenionen
Oberflächenschichten, welche durch die Deposition von molekularen Ionen erzeugt werden, werden in Kooperation mit dem IOM grundlegend charakterisiert. Während in den “Ion soft-landing” Laboren der Universität grundlegende Phänomene bei der Schichtbildung durch molekulare Ionen untersucht werden (z.B. Ladungsausgleichsprozesse und kontrollierte Bindungsbildungen bei der Deposition reaktiver Fragmentionen), werden Anwendungen im Bereich der molekularen Elektronik, nanoskalierter Sensoren mit hoher Empfindlichkeit, Energie- und Informationsspeicherung und Festphasenelektrolyten in einem “Joint-Lab” mit dem IOM (am IOM) untersucht. Der “Joint-Lab”-Vertrag mit dem IOM wurde 2022 geschlossen um Synergien in Exzellenzprojekten der Grundlagenforschung und zur Einwerbung von Drittmitteln aus der Industrie hervorzurufen. Die Gründung eines Forschungszentrums für ressourcenschonende und energieeffiziente molekulare Elektronik und Sensorik ist geplant.
Bor-basierte Materialien
Basierend auf umfassenden Vorarbeiten zu Bor-basierten Verbindungen in den Instituten für Physikalische, Theoretische und Anorganische Chemie soll eine in der Fakultät verankerte Forschungsgruppe mit Kollegen aus Wuppertal, Würzburg und Dresden initiiert werden, die sich mit Grundlagenforschung relevant für die Wasserstoffspeicherung und Katalyse beschäftigt.
Beteiligte Arbeitskreise
Beteiligte Projekte
TRR 325 "Kontrolle der chemischen Photokatalyse durch Molekülverbände"
ErUM (BMBF) 05K2022 Profile Reactor for Operando Neutron Diffraction – studying heterogeneous catalytic reactions by spatially-resolved diffraction-, spectroscopy-, concentration-, and temperature-profiling (PRONTO)
Das Forschungsforum Multifunktionale Katalyse erforscht neuartige katalytische Verfahren, die die effiziente Produktion von Feinchemikalien, Medikamenten, Geruchsstoffen, Pflanzenschutzmitteln und Kunststoffen ermöglichen. An der Fakultät wird Katalyseforschung in der ganzen Breite ihrer vielfältigen Subdisziplinen betrieben. Damit können katalytische Funktionalitäten aus den Bereichen der molekularen und enzymatischen Katalyse und der Katalyse an Feststoffoberflächen miteinander kombiniert und in innovativen Kontexten verstanden und genutzt werden. Das Alleinstellungsmerkmal lässt sich dem Forschungsschwerpunkt Multifunktionale Katalyse zuordnen, in dem Konzepte der kooperativen, synergistischen oder modularen Katalyse zu neuartigen Anwendungen in der nachhaltigen Chemie führen sollen. Dabei werden sowohl anorganische und organische Katalysatoren als auch biologische Systeme eingesetzt. Die umfassende Charakterisierung von Katalysatoren, insbesondere von Feststoffkatalysatoren durch moderne (oberflächen-) spektroskopische Techniken, unterstützt das Forschungsfeld und ermöglicht Einblicke in das grundlegende und tiefergehende Verständnis katalytischer Umsetzungen. Darauf aufbauend ergibt sich die Möglichkeit zu deren gezielter Steuerung und Schaltung durch externe Stimula (z. B. Licht). Mehrere Arbeitskreise der Fakultät, u. a. in den Instituten für Analytische, Bioanalytische, Organische, Physikalische und Technische Chemie, verfügen über langjährige Erfahrung in der Entwicklung, Herstellung, Charakterisierung und Anwendung einer breiten Palette an Katalysatoren. Diese Expertise soll ergänzt werden durch die vorgezogene Berufung am Institut für Anorganische Chemie und Kristallographie. Die Forschung umfasst homogene und heterogene, molekulare Katalysatoren, Feststoff- und Biokatalysatoren, so dass eine breite stoffliche und methodische Grundlage für den Auf- und Ausbau dieses Forschungsforums innerhalb interdisziplinärer Verbundforschungsprojekte gegeben ist. Eine interessante Verknüpfung molekularer und festkörperbasierter reaktiver Stoffe ergibt sich durch die Abscheidung von Clustern und Ionen an Oberflächen, wodurch beispielsweise kationische Teilchen vermehrt für die Katalyse zugänglich werden. Cluster können hier als wichtiges Bindeglied zwischen Experiment und Theorie dienen, weil sie genau definierte Modellsysteme darstellen, anhand derer z. B. gezielt die Teilchengröße als Parameter zur Untersuchung reaktiver Eigenschaften genutzt werden kann. Die Kombination mit theoretischen Untersuchungen ermöglicht nicht nur die Validierung der theoretischen Methoden durch hochgenaue experimentelle Messungen, sondern bietet zusätzlich die Möglichkeit, aus Ab-initio-Methoden heraus Voraussagen zu treffen. Zusammen mit zukunftsorientieren KI-basierten Methoden ergeben sich damit neue Perspektiven für die gezielte Entwicklung maßgeschneiderter Katalysatoren und/oder gänzlich neuer katalytischer Transformationen.
Arbeiten im Forschungsforum Multifunktionale Katalyse werden aktuell vor allem durch die DFG bereits in vielen Einzelprojekten des Normalverfahrens gefördert. Darüber hinaus wurden Aktivitäten in diesem Forschungsforum in der Vergangenheit in verschiedenen Verbundprojekten finanziell unterstützt, wie z. B. in der ESF-Nachwuchsforschergruppe „Heterogen-katalysierte Syntheseprozesse in Durchfluss-Systemen“ (2020-2022) und im DFG-finanzierten Graduiertenkolleg 1626 „Chemical Photocatalysis“ (2010-2019). Aktuell sind Arbeitsgruppen der Fakultät am Transregio-SFB 325 „Kontrolle der chemischen Photokatalyse durch Molekülverbände“ sowie am ITN „PhotoReAct“ beteiligt. Die Kooperation mit weiteren außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Leipziger Raumes (UFZ, IOM, TROPOS, DBFZ) sind für die Arbeit in diesem Feld nicht zuletzt hinsichtlich der Anwendungsperspektive von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus wurden und werden mehrere Projekte mit industriellen Partnern oder in anwendungsorientierten Verbünden durchgeführt.
Perspektiven
Ein besonderer Fokus wird zukünftig auf der Nutzung und gezielten synthetischen Umwandlung nachhaltiger, beispielsweise biobasierter Rohstoffe liegen. Durch diese Bemühungen wird die Fakultät wesentlich zur Förderung einer nachhaltig agierenden Gesellschaft, zum Umweltschutz und zur Förderung einer kohlenstoffneutralen, zukunftsorientierten Kreislaufwirtschaft beitragen. Thematisch passen die Arbeiten in diesem Forschungsforum somit ideal zur Ausrichtung des sich im Aufbau befindlichen „Zentrums für die Transformation der Chemie“ (CTC) in Delitzsch, und wir beabsichtigen insofern eine enge Kooperation mit den dort angesiedelten Arbeitsgruppen sowie möglichen Firmenausgründungen des CTC an den Standorten Delitzsch, Merseburg und Leuna.
Weitere Schwerpunkte im Bereich der Katalyse, die aktuell auch schon in Verbundprojekten gefördert werden und zukünftig in Kooperationen noch weiterentwickelt werden sollen, beinhalten zum einen katalytische Verfahren in Durchfluss-Systemen, die somit eine tragfähige Brücke zum Forschungsforum 1 darstellen. Als Brücke zur Biotechnologie und zum BBZ sind Arbeiten im Kontext der Biokatalyse mit maßgeschneiderten, promisken Enzymen mit unnatürlichen Reaktivitäten für die Synthesechemie geplant. Auch die enantioselektive Katalyse und Photokatalyse ist für die Synthese pharmazeutisch relevanter und biologisch aktiver Wirkstoffe mit definierter dreidimensionaler Struktur von zentraler Bedeutung. In der technischen Chemie wird die Erzeugung von Wasserstoff durch Wasserspaltung mittels heterogener Photokatalyse untersucht.
Eine Vernetzung des Forschungsforums „Multifunktionale Katalyse“ mit den anderen Forschungsforen der Fakultät ist nicht nur erwünscht, sondern in vielen Bereichen auch bereits etabliert. So wird im Forschungsforum 1 „Chemie im Mikro-Raum“ die Katalyse als Enabling Technology genutzt, und folgerichtig sind mehrere Wissenschaftler in beiden Forschungsforen aktiv. Umgekehrt können aus dem Forschungsforum 2 „Materialien und Energie“ neu gewonnene Materialien als interessante, potentiell aktive Katalysatoren hier untersucht und genutzt werden. Auch das neu etablierte Graduiertenkolleg 2721 „Wasserstoffisotope 1,2,3H“ bildet insofern eine Brücke zwischen diesen beiden Forschungsforen, indem z. B. molekulare Katalysatoren für die Energiegewinnung und -umwandlung, Arzneimittel-synthese und Isotopenmarkierung zunächst synthetisiert und dann angewendet werden. Darüber hinaus stärkt die oben bereits erwähnte Honorarprofessur „Digitalisierung in Katalyse und Material-wissenschaft“ die Verbindung der beiden Forschungsfelder und erweitert das Forschungsdaten-management.
Die Aktivitäten und Kompetenzen der Fakultät in diesem zukunftsträchtigen Bereich sollen in den nächsten Jahren zu einem kohärenten Forschungsthema im Sinne eines Emerging Field auf dem Leipziger Weg zusammengeführt und weiterentwickelt werden, so dass mittelfristig die Antragsstellung eines Verbundforschungsvorhabens möglich ist.
Verbundforschung
Der Begriff der Theranostik ist eine Symbiose der Begriffe „Therapie“ und „Diagnostik“. Im Forschungsforum „Chemische Theranostik“ werden neue Verfahren und (bio)-chemische Werkzeuge für die frühzeitigen Diagnose von Erkrankungen, zur molekularen Erforschung der Ursachen und für patientenspezifische Therapien („Präzisionsmedizin“) erarbeitet. Das Forschungsforum ist von hoher Relevanz für die universitären strategischen Forschungsfelder „Nachhaltige Grundlagen für Leben und Gesundheit“ und darin für die Profilbereiche „Zivilisationskrankheiten“ und „Molekulare und zelluläre Kommunikation“. Das Forschungsforum wird maßgeblich getragen durch Arbeiten im Transregio 386 HYP*MOL – Hyperpolarisation in molekularen Systemen (Sprecher: Prof. Dr. Jörg Matysik) sowie die Beteiligung an den biochemisch-medizinisch ausgerichteten SFBs 1423 Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und ‑Signaltransduktion (Sprecherin: Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger) sowie 1052 „Mechanismen der Adipositas“ (Sprecher: Prof. Dr. Matthias Blüher).
Im Bereich der Diagnostik liegt ein Schwerpunkt des Forschungsforums auf der Weiterentwicklung diagnostischer Anwendungen in der Medizin mithilfe chemischer und physikalischer Werkzeuge. So ermöglicht die weithin bekannte Magnetresonanz-Tomographie (MRT) zwar die nicht-invasive Erstellung dreidimensionaler Abbildungen der inneren Organe, jedoch ist die Methode nicht besonders sensitiv. Ein Weg zur Erhöhung der Empfindlichkeit und Selektivität der MRT besteht in der Entwicklung und Anwendung von Hyperpolarisierungsmethoden wie DNP (Dynamic Nuclear Polarization), ONP (Optical Nuclear Polarization) und CIDNP (Chemically Induced Dynamic Nuclear Polarization). Die Weiterentwicklung dieser Methoden wird durch die Kompetenz der Fakultät in der Synthese molekularer Spinsysteme ermöglicht, die der Signalverstärkung in der Magnetresonanz dienen. Diese Aktivitäten sind im TRR 386 „HYP*MOL – Hyperpolarisation in molekularen Systemen“ gebündelt. Das übergeordnete Ziel des TRR 386 besteht darin, die Hyperpolarisation zur Effizienzsteigerung in der magnetischen Resonanz, der Spintronik und der Spin-Chemie einzusetzen. Dabei werden unter anderem niedermolekulare Moleküle und Peptide als Werkzeuge eingesetzt. Diese Substanzklassen bilden zusätzlich die Grundlage für weitere diagnostische Verfahren jenseits von Magnetresonanzmethoden. Dazu zählen die Entwicklung hochsensitiver antikörperbasierter und massenspektrometrischer Verfahren zur Diagnostik viraler und bakterieller Infektionen sowie alterungsbedingter Krankheiten, einschließlich mikroanalytischer personifizierter Methoden-entwicklung (siehe Forschungsforum Chemie im Mikro-Raum).
Im Bereich der Therapie liegt der Schwerpunkt des Forschungsforums im Bereich des Wirkstoffdesigns. Diese Thematik spiegelt sich in zahlreichen Forschungsschwerpunkten von Arbeitsgruppen der Fakultät für Chemie und Mineralogie wider. An der Universität Leipzig sind wesentliche Zentren oder Verbundforschungsprojekte angesiedelt, in denen medizinisch relevante Proteine und Proteinkomplexe auf molekularer und zellulärer Ebene auf ihre Eignung als Zielstrukturen für niedermolekulare Wirkstoffe untersucht werden, z.B. der SFB 1423 „Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und -Signaltransduktion“. Mehr als ein Drittel aller auf dem Markt befindlichen Wirkstoffe binden an GPCR (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren) und diese Rezeptoren besitzen somit außerordentlich große pharmakologische Relevanz. Aber auch in dem stärker medizinisch orientierten SFB 1052 „Mechanismen der Adipositas“ sind mehrere Projekte mit der Zielsetzung einer Entwicklung molekularer Wirkstoffe enthalten. Die Entwicklung von Agonisten und Antagonisten zur Beeinflussung der Signalwirkung dieser Rezeptoren ist wichtiger Bestandteil der Verbundprojekte. Durch das neu aufgebaute Institut für Wirkstoffentwicklung in der medizinischen Fakultät ergeben sich Synergien und Möglichkeiten für eine Beteiligung an größeren Forschungsverbünden. Die Fakultät für Chemie und Mineralogie kann zu diesen Entwicklungen insbesondere durch ihre Synthese-Expertise in der organischen, anorganischen und biologischen Chemie beitragen und darüber hinaus neue Ansätze für die Wirkstoffforschung entwickeln.
Perspektiven
Zentrales Entwicklungsziel des Forschungsforums ist die Stärkung der methodischen Möglichkeiten und der Ausbau von gemeinsamen Projekten mit dem Ziel, die von Mitgliedern der Fakultät geleiteten Verbundprojekte (TRR 386, SFB 1423) sowie den unter Beteiligung von Fakultätsmitgliedern forschenden SFB 1052 zu stärken. Diese Arbeiten unterstützen im erweiterten Rahmen das im Rahmen der Exzellenzinitiative beantragte universitäre „Leipzig Center of Metabolism“, welches bereits die erste Stufe des Exzellenzwettbewerbs erfolgreich gemeistert hat. Potential für weitere Verbundforschung wird in der Verwendung von Naturstoffen, Peptiden, oder Proteinen für die Entwicklung zu hochaffinen Leitstrukturen gegen bislang wenig bearbeitete, aber medizinisch hochrelevante biologische Zielstrukturen gesehen.